In den letzten Jahren haben Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz immer mehr an Bedeutung gewonnen. Doch je größer das Interesse der Konsument:innen an grünen Themen, desto mehr geraten auch Unternehmen in Kritik, die nur oberflächlich grün erscheinen und deren Kerngeschäft alles andere als nachhaltig und umweltfreundlich ist.
Aktuelle Beispiele für Greenwashing 2.0 – eine perfide Weiterentwicklung des plaktativen Greenwashings – gibt es viele. Eines davon erhält gerade besonders viel mediale Aufmerksamkeit: McDonald’s. Das Unternehmen bezeichnet in einer Kampagne beispielsweise den eigenen Müll als „beautiful“, da die Pappbecher oder Pommestüten „recyclebar” sind und sich daraus zum Beispiel Bücher herstellen lassen. Das ist auch irgendwo richtig – trotzdem gilt McDonald's als einer der größten Müllverursacher überhaupt. Die Gegenoffensive von tatsächlich nachhaltigen Brands wie Recup ließ daher nicht lange auf sich warten.
Das Bewusstsein für Greenwashing ist in der Gesellschaft vorhanden und wird inzwischen auch immer mehr geahndet: Die DWS Group, einer der führenden Vermögensverwalter weltweit, ist beispielsweise wegen eines eventuellen Greenwashing-Verdachts auf deren Kapitalanlagen sogar vor Gericht angeklagt und könnte zu einer Geldstrafe in Millionenhöhe verurteilt werden. Zudem hat die EU-Kommission ein Gesetz angekündigt, das die Auflagen für Marketing mit Umwelt- und Klimaaussagen noch strenger machen soll.
In diesem Blogbeitrag lernst du alles Wissenswerte zum Thema Greenwashing 2.0 sowie der geplanten EU-Richtlinie und kriegst Do’s und Don’ts fürs Marketing mit auf den Weg.
Greenwashing 2.0
Was ist das und wie erkennt man es?
Der englische Begriff Greenwashing kann sinngemäß mit „Grün färben” übersetzt werden. Es beschreibt eine strategische Herangehensweise, bei der Unternehmen oder andere Akteure gezielt Desinformationen verbreiten, um sich ein ökologisches Image zu verschaffen.
In den letzten Jahren hat sich allerdings das “normale” Greenwashing mit offensichtlichen und übertriebenen Behauptungen weiterentwickelt. Viele Unternehmen gehen inzwischen viel subtiler und raffinierter vor, um ihr vermeintlich grünes Image nach außen zu tragen: Sie betreiben Greenwashing 2.0. In vielen Fällen stimmen die grünen Behauptungen eines Unternehmens sogar mit der Realität überein. Jedoch sollen sie von anderen Problemen ablenken, die ihre Produkte verursachen oder das umweltschädliche Kerngeschäft vertuschen.
Beispiele dafür finden sich in allen Branchen und Industriezweigen. Aus diesem Grund hat die Deutsche Umwelthilfe den Goldenen Geier ins Leben gerufen – ein Schmähpreis, der Greenwashing aufdecken soll.
2022 ging diese Auszeichnung beispielsweise an Shell: Der Mineralöl- und Erdgaskonzern warb damit, dass Autofahrende für nur 1,1 Cent pro getankten Liter die CO2-Emissionen der eigenen Fahrt kompensieren können. Klimaneutral durch die Gegend düsen: Klingt super, ist aber ein klarer Fall von Greenwashing. Zum Einen wird nämlich mit jedem gefahrenen Kilometer neues CO2 ausgestoßen, das die Umwelt belastet. Zum Anderen würde die genannte Summe zur Kompensation dafür niemals ausreichen.
Unter den Nominierten des letzten Jahres waren auch noch andere bekannte Unternehmen wie Edeka, Lufthansa, Volvic… und auch HelloFresh. Denn zwar verfolgt die Brand den Ansatz, Lebensmittelabfälle zu reduzieren, indem sie genau die perfekte Menge an frischen Zutaten bereitstellt, die Lieferung erfolgt aber in vielen einzelnen und umweltschädlichen Kleinstverpackungen. Dadurch leistet HelloFresh zwar möglicherweise einen Beitrag zur Lebensmittelverschwendung, produziert aber trotzdem jede Menge anderen Abfall.
Das Greenwashing oder "Grün färben" von Unternehmen geschieht immer subtiler und ist daher schwerer zu erkennen
Info: Typische Greenwashing-Anzeichen
- Werbekampagnen, die umweltfreundliche Merkmale oder Praktiken des Produkts oder Unternehmens betonen und diese positiven Aspekte dann überproportional hervorheben.
- Influencer, die ein grünes Image vermitteln sollen. Dabei kommen geschickt gewählte Begriffe zum Einsatz: Wordings wie „umweltbewusst," „grün," oder „nachhaltig, sind nicht standardisiert und können unterschiedlich interpretiert werden, was die Überprüfung ihrer Aussagen erschwert.
- Scheinbar unabhängige Studien oder Zertifikate, die die Glaubwürdigkeit der Aussagen stärken sollen. Diese Studien können jedoch von Interessenverbänden oder Unternehmen finanziert werden, was ihre Objektivität in Frage stellt.
- Statt die gesamte Umweltbilanz offenzulegen, verschleiern Brands negative Umweltauswirkungen oder spielen sie herunter.
Das Hauptziel ist es, Verbraucher:innen ein positives und umweltbewusstes Image zu vermitteln, ohne sich tatsächlich signifikant um Nachhaltigkeit zu bemühen. Unternehmen versuchen, die steigende Nachfrage nach umweltfreundlichen Produkten auszunutzen, indem sie sich als nachhaltig positionieren, ohne jedoch die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen.
Warum ist Greenwashing 2.0 problematisch?
Im Zeitalter der Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein sind Verbraucher zunehmend daran interessiert, umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen zu unterstützen. Laut einer Umfrage der Unternehmensberatung McKinsey ist für drei Viertel der Verbraucher:innen die Nachhaltigkeit einer Marke wichtig beim Einkaufen. Deshalb werben Brands mit Produkten vom Hundefutter bis zum Haarshampoo, die den potentiellen Kund:innen mitteilen, dass sie klimaneutral sind.
Das Problem dabei: Eine Studie der EU-Kommission aus dem Jahre 2020 beurteilt 53,3 Prozent der geprüften Umweltaussagen in der EU als vage, irreführend oder unfundiert. 40 Prozent der Aussagen konnten nicht einmal belegt werden.
Diese neue Herangehensweise des "Etikettenschwindels" ist also für Verbraucher:innen viel schwerer zu erkennen und nicht nur irreführend, sondern untergräbt auch die Bemühungen echter umweltfreundlicher Unternehmen.
Neue EU-Richtlinie gegen Greenwashing
Was ändert sich?
Aufgrund dieser Tatsache hat die Europäische Union im März 2023 die „Green Claims Directive“ vorgestellt. Der Gesetzesentwurf fordert, dass Unternehmen ihre Produkte nur als klimaneutral oder umweltfreundlich bewerben dürfen, wenn sie das auch wissenschaftlich belegenkönnen. Für mehr Transparenz sollen die Daten auch offen einsehbar sein und leicht zugänglich gemacht werden – beispielsweise durch einen QR-Code auf dem Produkt.
Ein wichtiger Schritt. Denn auch seitens der Verbraucher:innen macht sich zunehmend ein Bewusstsein für Greenwashing breit: Laut einer YouGov-Umfrage stehen rund 63 Prozent der befragten Deutschen den Nachhaltigkeitsaussagen von Unternehmen und Marken skeptisch gegenüber.
Als Konsequenz für Unternehmen, die keine Nachweise für ihre grünen Aussagen erbringen können, drohen Bußgelder in Höhe von bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.Das Besondere: Diese EU-Richtlinie könnte in vielen Bereichen auch rückwirkend wirken und damit viele Unternehmen mit ihren irreführenden Werbeaussagen konfrontieren. Zwar soll der Gesetzesentwurf erst in zwei Jahren in das nationale Gesetze überführt werden, trotzdem müssen Brands also bereits jetzt abwägen, ob sie Begriffe wie „klimaneutral" oder „CO2-neutral" in ihrer Kommunikation verwenden.
Wen betrifft es?
Übrigens: Die Green Claims Directive soll für Unternehmen gelten, die Waren oder Dienstleistungen innerhalb der EU verkaufen und freiwillige Umweltaussagen treffen. Mikrounternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitenden und mit einem Jahresumsatz von weniger als zwei Millionen Euro sind vom Gesetzesentwurf ausgenommen – sie können allerdings ein entsprechendes Zertifikat erhalten, wenn sie alle geforderten Kriterien erfüllen.
Do’s & Don'ts im Marketing
Um als Brand tatsächlich nachhaltig zu handeln und sich von Greenwashing zu distanzieren, gilt das Motto „practice what you preach” – also so zu handeln, wie man es vorgibt. Diese Do’s und Don’ts helfen bei der Umsetzung:
Transparente Kommunikation
DO: Klare, präzise und ehrliche Aussagen über die Umweltauswirkungen der Produkte und Bereiche, in denen Verbesserungen nötig sind. Nur echte, nachvollziehbare Begriffe verwenden.
DON’T: Vage und übertriebene Behauptungen oder Standards als Besonderheiten verkaufen, kein irreführendes Packaging oder Verwendung von suggestiven Bildern.
Best Practice: Wholey. Die Brand hat für jedes Produkt den CO2-Fußabdruck sowie die Ökobilanz ausgerechnet und auf der Website angegeben. Dabei wurden Zutaten, Produktion, Transport und die End of Life Phase der Verpackung mit einbezogen.
Nachvollziehbare Nachweise
DO: Belegbare Zahlen und Fakten über umweltfreundliche Bemühungen sowie Auszeichnungen von anerkannten Zertifizierungsstellen wie das EU Ecolabel, der blaue Engel oder der grüne Knopf nutzen. Eine Übersicht über die verschiedenen Siegel stellt die Bundesregierung in einer Initiative bereit.
DON’T: Fake- oder Selfmade-Siegel verwenden oder negative Auszeichnungen aktiv verschleiern.
Best Practice: ARMEDANGELS. Das Modelabel arbeitet mit ausgewählten und langjährigen Partnern zusammen und durchläuft mit ihnen einen Zertifizierungsprozess. Sie sind mit anerkannten Siegel von GOTS (Global Organic Textile Standard) und Fair Wear Foundation (FWF)ausgezeichnet.
Ehrliches Pflichtbewusstsein
DO: Nachhaltigkeitsbemühungen als festen Bestandteil in die Unternehmenskultur aufnehmen und nach außen präsentieren.
DON’T: Kurzfristig auf den Nachhaltigkeits-Zug aufspringen, um mehr Follower und Leads zu gewinnen.
Best Practice: NIKIN. Die Brand lässt seit jeher pro verkauftes Produkt einen Baum von der NGO One Tree Planted pflanzen – überall dort, wo es ökologisch Sinn macht und Wälder durch Abholzung und Naturkatastrophen bedroht sind. Den Nachhaltigkeitsgedanken zieht das Unternehmen komplett durch: Zum Shopping-Event des Jahres, dem Black Friday, gibt es statt Preisreduzierungen und Rabatten einen zweiten Baum obendrauf.
Fazit
Greenwashing ist ein ernstes Problem, das der Umwelt schadet und das Vertrauen der Verbraucher:innen untergraben kann: Laut einer aktuellen Umfrage des Nürnberg Instituts für Marktentscheidungen (NIM) meiden 72 Prozent der Befragten Unternehmen, denen Greenwashing vorgeworfen wird. Die geplante EU-Öko-Richtlinie könnte dahingehend bahnbrechende Erneuerungen und weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft und das Marketing mit sich bringen. Vor allem Brands, die ihre Umweltfreundlichkeit wissenschaftlich belegen können, werden hier als Gewinner herausgehen, ihre Glaubwürdigkeit festigen und einen echten positiven Einfluss auf die Umwelt haben.